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Bleib da dran! - Teil 2

Das Gespräch zwischen Monika-Schmidt Kiesinger von der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und Axel Stirn von den Keimen geht weiter mit Teil 2: „Ideelles in die Wirklichkeit bringen“. Wir empfehlen, erst Teil 1 zu lesen.

Bild: Anthroposophische Gesellschaft

Monika-Schmidt Kiesinger (MSK):

Das Weltgeschehen und wir selbst haben uns dahin geführt, dass wir heutigen Menschen viel mehr Fragen und auch bewusstere Fragen haben. Viele versuchen heute Ihnen Antworten zu geben, auch die Anthroposophische Gesellschaft. Aber diese Antworten sind noch nicht Ihre Antworten. Sie waren auf der Suche nach einer Menschengruppe, in der man gewisse Fragen besprechen kann. In einer Gruppe kann man sich austauschen und die verschiedene Sicht kann mich dazu bringen etwas noch einmal, aber anders zu lesen. Und wenn ich feiner zuhöre in der Gruppe, die sich um etwas Gemeinsames bemüht, dann weiß ich, das sind nicht nur einzelne Menschen. Es ist mehr als die Summe der Einzelnen. Es entsteht aus dem gemeinsamen Bemühen ein gemeinsames Leben, das mehr ist, als die Bemühung des Einzelnen. Die Hochschule hat nun die Aufgabe eine solche Gemeinschaft zu begründen und zu pflegen. Gelingt das, so bildet sich so etwas wie eine Schale, zu der geistige Wesen etwas dazu tun können, seien es nun die Verstorbenen oder hierarchische Wesen.


Axel Stirn (AS):

Wer will da mitmachen? Muss ich dazu das Bewusstsein ausgebildet haben, dass da Geistwesen sind, die etwas in eine Schale tun, oder was muss ich machen? Kann ich mich bewerben oder sagen, ich bin dabei? Wie sieht die Arbeit aus?


MSK: Mitglied dieser freien Hochschule kann sein, wer zwei Jahre Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft gewesen ist und dann einen Aufnahmeantrag stellt. Dann nimmt man teil an den „Klassenstunden“.


AS: Was ist das?


MSK: Rudolf Steiner hat mit Begründung der Weihnachtstagung etwa im Zeitraum von einem dreiviertel Jahr esoterische Stunden für die damaligen Mitglieder der Hochschule gehalten. Sie bestehen aus Einführungen und Mantren. Diese „Mantren“ stehen im Mittelpunkt. Die Hochschule ist der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion beim Goetheanum in Dornach angeschlossen. (einer von 11 Sektionen von denen sich 10 mit praktischen Lebensgebieten oder Künsten befassen). Sie befasst sich mit dem allgemein Menschlichen. Sowohl der Lehrer als auch der Landwirt, der Arzt und der Handwerker können durch die Hochschule Grundlagen gewinnen, die sie in ihre speziellen Lebensgebiete einbringen können.


AS: Ich habe so verstanden, dass die Mitglieder der esoterischen Schule sich in Zweig- oder Klassenstunden regelmäßig treffen, an den verschrifteten Texten und den Mantren arbeiten. In der Zwischenzeit auch alleine. Aber das ist ja noch nicht alles.


MSK: Die Anthroposophische Gesellschaft ist für jedermann da, der sich dafür interessiert. Jeder bekommt etwas für sich selbst. Die Hochschule dagegen ist das Herz der Anthroposophischen Gesellschaft, ist Zentrum und Verbindung zum Umkreis. Wer sich mit ihr verbindet, sucht nicht nur etwas für sich, sondern will auch zurückgeben. Man wählt die Hochschule als Weg mit einem Zukunftsaspekt. Man übernimmt Verantwortung bis in den Lebensalltag hinein.


AS: Warum mache ich den Weg, was ist die praktische Anwendung? Suche ich, mich selbst weiter zu bringen, das um Leben blühen zu machen? Geht es vor allem darum? Kann dies nicht zu Ärger und Verdruss führen? Das durchzustehen und zu wissen, das braucht mich dennoch, ist doch wohl ein riesengroßes Mysterium.


MSK: Auf der alljährlichen, internationalen Vermittlertagung trafen sich kürzlich Vermittler aus aller Welt. Ich staunte über die vielen Menschen, die die Suche nach einer neuen Welt zu ihrem Anliegen gemacht haben und darüber, wie das Wesen der Anthroposophie wirkt. Es wirkt der Zersplitterung in Nationalitäten, Religionsgruppen und Sonderwegen entgegen. Sie bewirkt eine Gemeinsamkeit, die das Allgemeinmenschliche in den Mittelpunkt stellt.


AS: Beim Allgemeinmenschlichen ist das Gespräch schnell zu Ende. Da ist man leicht abgesondert. Jüngere Anthroposophen suchen einen anderen Weg, weil ihnen das Absondern nicht gefällt. Sie suchen einen Weg, auf dem sie sich mit jedem verständigen können. In den letzten hundert Jahren mussten sich Nester bilden. Aus diesen wollen sie raus. Aber da drin gibt es Widerstand. Sie glauben, sich schützen zu müssen. Kann man denn nicht anthroposophisch leben, ohne in der Anthroposophischen Gesellschaft zu sein?


MSK: Natürlich kann man auch außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft anthroposophisch wirken. Rudolf Steiner wollte, dass die Anthroposophische Gesellschaft öffentlich sein sollte, ohne Geheimnistümelei.


AS: Viele Menschen haben Interesse, anderen Menschen zu begegnen, die ihren Weg und ihre dazu Fragen zeigen. Sie wollen wissen, was deine Geschichte ist. Sie trauern darüber, dass die Welt kaputt gehen könnte, und sie nichts machen können. Sie wollen Hoffnung, Zuversicht, wissen, wo etwas getan werden kann.


MSK: Hinter all dem steht die Frage: Was bedeute ich der Welt? Aus der Anthroposophie heraus kann man den Standpunkt gewinnen: Ich gehöre dazu, ich bin Mitgestalter. Diese Aussage kann man erleben.


AS: Ich denke auch, dass das Erleben am Anfang stehen muss. Sich selbst als Mitgestalter erleben. Dann erst nachdenken und verstehen. Das erfordert innere Veränderungen. Viele Menschen scheuen dies. Sie sind so von außen bestimmt, dass sie sich nicht vorstellen können, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie lassen sich treiben. Um den anderen Weg zu akzeptieren, braucht es Standhaftigkeit, braucht es Zeit.


MSK: Es ist auch eine Frage des Mutes, sich auf Veränderungen einzulassen und des Vertrauens, sich auf einen Rat oder eine Wegleitung einzulassen. So kann man die inneren Widerstände verstehen. Aber an der inneren Hal-tung kann man auf vielfältige Weise arbeiten.


AS: Was ist dann der Beitrag der Hochschule?


MSK: Erinnern Sie sich an das Bild der Schale. Die Hochschule möchte durch Gemeinschaftsbildung eine Verbindung zwischen Mensch und geistiger Welt herstellen, eine Schale, die sich nach oben öffnet.


AS: Es geht also darum, das Wesen der Anthroposophie zu beleben, zu füllen oder zu nähren.


MSK: Indem wir Ideellem zur Wirklichkeit verhelfen wollen, geht es darum, diesem eine Gestaltung in Leib, Seele und Geist zu ermöglichen. Anders ausgedrückt: „Wirklichkeit entsteht aus dem Zusammenfließen von Idee und Erscheinung.“


AS: Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.





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