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  • 12. Jan. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Feb. 2021

„Corona!? Da mach ich nicht mit.“ Das verkündete vor einigen Wochen ein circa 10-jähriger Junge hinter meinem Rücken. Die Frage, ob der nun als Corona-Leugner zu diffamieren sei, stellte ich mir nicht. Viel mehr interessierte mich der in dieser Aussage lebende Gedanke, dass „Corona“ viel mehr als nur die Krankheit mit SARS-CoV-2 sei. von Axel Stirn

Foto: Wikipedia, Meininger Staatstheater

„Corona“ als ein neuer Trend, eine neue Kultur, eine Haltung oder gar Entscheidung, eben ein alles umfassendes Lebens...dings? Dem Schüler nach, so erschien es mir, hätten wir alle eine Wahl, bei „Corona“ mitzumachen. Für philosophische Gespräche taugt dieser Ansatz allemal. Außer Frage steht, dass viele Lebensrealitäten verändert werden, ohne dass Menschen sich selbst dafür entschieden hatten.

Da im Kreis der Redaktion das medizinische Wissen nur ausreicht, um spannende Diskussionen zu befeuern, zoomen wir zurzeit auf die gesellschaftlichen und persönlichen Auswirkungen der „Corona-Maßnahmen“, die wir alle erleben und untersuchen können. Wir fokussieren auf die Kultur, die mit Fridays For Future und durch Corona am Pranger steht, weil sie keine lebenswerte Zukunft verheißt. Wir beleuchten den Berufszweig der Künstlerinnen und Künstler, die sich jenseits der Grenzen der „Systemrelevanz" befinden und derzeit unter großem wirtschaftlichem Druck stehen. Gleichzeitig greifen wir die Frage nach einem völlig neuen Verständnis des Kunst- und Kulturbegriffs auf, um die Gedanken für neue Wege für des gesellschaftlichen Miteinanders durch „Kunst“ zu öffnen.

Wir sehen den Menschen nicht als Biomechanismus, der in seinem Leben nur die Triebbefriedigung und Krankheitsvermeidung für erstrebenswert hält. Unser physischer Leib mag ja, sehr eng interpretiert, noch darauf zu reduzieren sein. Aber Seele und Geist des Menschen verschwinden nicht, nur weil man nicht mehr daran glaubt. Selbst die intensivste Einbildung, der Mensch sei ein Tier, schafft Seele und Geist nicht ab, sondern drückt ihnen lediglich diese begrenzte Sichtweise auf.

Das Universum, Mutter Erde und individuelle Kräfte haben dem Menschen einen Körper erschaffen, in dem er mit Seele lebt, mit der er Musik erzeugen und hören kann, Kunst schaffen und wahrnehmen kann, mit der er Theater spielen, tanzen, tonen, tätowieren und träumen kann. In der Seele webt ein Geist, der frei sein will und seine eigenen Gedanken hat. Der Erkenntnisdrang lässt den Menschen Wissenschaft und Religionen gestalten lässt.

Wir nennen das alles, banal gesagt „Kultur“. Diese "Kultur" reicht vom Uff-ta-ta Stampfen auf dem Oktoberfestbiertisch bis zu internationalen Orgel-Konzerten, von Architektur zu Zumbakursen, von Wissenschaftsdogmen bis zu religiösen Gottesbeweisen. Die Redaktion plädiert für mehr Bewusstsein für das eigene Tun. Und wir wollen geistreiche Kunst, die, wie es in Meiningen am Theater in Stein gemeißelt steht, „Dem Volke zur Freude und Erhebung“ dient. (Siehe obiges Foto.)

Wer stellt sich überhaupt die Frage, ob etwas Kunst sei? Wir plädieren für die Sichtweise: Alles von und durch Menschen Geschaffene ist Kunst. Und jeder Mensch ist ein Künstler. Die

entscheidende Frage ist, ob es erhebende, von Herzkräften gespeiste Kunst ist, die jemand erschafft oder ob sie Ausdruck eines berechnenden, auf Nützlichkeit beschränkten Geistes ist.

Hier sei Steiner in einem Brief vom 25. November 1905 an Marie von Sivers zitiert: „Denn einer Zeit, die keine Formen schauen und schauend schaffen kann, muss notwendigerweise der Geist zum wesenlosen Abstraktum sich verflüchtigen und die Wirklichkeit muss sich diesem bloß abstrakten Geist als geistlose Stoffaggreationen gegenüberstellen. Bevor der Mensch nicht ahnt, dass Geister im Feuer, in Luft, Wasser und Erde leben, wird er auch keine Kunst haben, welche diese Weisheiten in äußerer Form wiedergibt. Dies sollte unser Ideal sein: Formen zu schaffen als Ausdruck des inneren Lebens.“

Die Redaktion sieht die Tendenz, eine menschenfeindliche Kultur zu erschaffen, die dann nicht mehr Kultur genannt werden dürfte, sondern Kaltur, weil die Seelenwärme darin fehlte.

Da gegenwärtig der Aufruf zur Anpassung des Menschen an das System verstärkt ertönt, rufen wir zur Anpassung des Systems ... Nein! So leicht machen wir es uns nicht. Wir rufen zu nichts auf. Wir rücken mit unseren Beiträgen Menschen und ihre Kunst ins Licht, deren Arbeiten von den Corona-Auswirkungen stark eingeschränkt werden, deren lebendige Seele aber mit Herzenswärme die Welt gestalten will. Wir laden Sie dazu ein, das Geistig-Seelische des Menschen ins Bewusstsein zu holen. Und was eignet sich dafür besser als unser aller Kunst.

  • 26. Dez. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Jan. 2021

Es gibt Schauspielkünste, die finden nicht auf Bühnen vor Menschen statt, die Eintritt bezahlt haben. In welche Bereiche Einschränkungen der Kulturszene hineinreichen, wird im folgenden Beitrag deutlich. Fotos: Lilli Breininger, Text: Axel Stirn


Florentine ist als Schauspielerin gescheitert. Sie kann sich die Texte nicht merken. Macht aber nichts. Nicht mehr alles im Hirn, nicht mehr alles auf Zugriff. Das kennen Demente auch. Singen kann Florentine dafür sehr gut. Und mit den Alten klappt das auch ausgezeichnet. Die wissen zwar oft nicht, was gestern war, aber Liedtexte und Gedichte können sie noch auswendig.


Florentine ist eine Clownsfigur. Wenn Heike Laub die rote Nase aufsetzt verwandelt sie sich in Florentine Dibbelabbes, eine närrische junge Frau, heimatlos auf einem Schiff aufgewachsen, das Leben mit allen Sinnen liebend. Sobald sie erscheint, hat sie den Impuls, mit den Mitmenschen in Kontakt zu treten, den Nachbarn zu umarmen, einfach so, vielleicht weil jemand so gut riecht. Aber Corona verlangt nun eine andere Spielweise.

Florentine rede eher wenig und mache lieber Musik, beschreibt Heike sie. „Sie ist eine Person des Hier & Jetzt“, erklärt die Künstlerin. Die Figur der Clownin erfand sie gezielt für die Alten in den Heimen, um in guten Kontakt mit ihnen zu treten. „Oft können die nicht lang konzentriert zuhören. Aber Musik und Florentines Spielfreude verbinden direkt.“


„Die Alten mögen vor allem Lieder zum Mitsingen.“ Sie habe auch schon mal ein Stück von den Beatles gespielt. „Ach“, sei die Reaktion darauf gewesen. „bitte nichts so modernes.“ Seither gäbe es nur noch Zeitloses. Zwischen Klassik, gefühlvollen Chansons, tanzbaren Volksliedern und internationalen Oldies bringt Heikes Florentine die Zuschauer vor allem mit kurzen, improvisierten Szenchen zum Lachen.

„Ich habe meinen Zuschauern auch schon Blumen mitgebracht. Oder etwas andres Wohlriechendes. Oder etwas zum Anfassen. Einmal wünschte sich eine alte Dame den Geruch von Schusterkleber. Sie arbeitete früher in einer Tankstelle. Den habe ich ihr daraufhin besorgt. Es war toll.“



Einmal hatte Florentine das Bedürfnis, sich ein bisschen auszuruhen und es war gerade noch Platz bei einem freundlichen alten Herrn. Es wurde im Liegen gemeinsam Gitarre gespielt und gesungen. „Der Clown ist Vermittler einer anderen Welt.“ sagt Heike. „Er ist sinnlicher, hingebungsvoller als unsere heutigen Normalen. Und vor allem direkt und ehrlich.“

Florentine erzählt münchhausenartige Episoden aus ihrem Leben mit ihren drei Kindern Tom, Marten und Mark, (zusammen Tomatenmark), malt mit wenigen Worten klare Bilder in die Gedankenwelten und spielt mit allem, was die Situation her gibt.


Ihre Schöpferin Heike absolvierte eine Schauspielausbildung, und obwohl sie sich die Texte merken konnte, wechselte sie nach einem Engagement im Theater Überzwerg in die Clownerie. „Der Clown ist der Narr. Er darf alles. Ihm verzeiht man alles.“


Der erste Lockdown bedeutete das plötzliche Ende aller Auftritte. Glücklicherweise hat ihr Mann einen funktionierenden Handwerksbetrieb. Aber ihre Arbeit war erstmal gelöscht.




„Ich lerne auch immer wieder selbst von Florentine. Gerade jetzt bei Corona. Immer wieder erwische ich mich, wie ich anfangen will zu jammern und zu klagen. Dann erinnere ich mich an Florentine. Was würde sie machen? Jammern und klagen? Niemals! Sie ergreift die Situation, wie sie ist, und macht das beste draus. Im Leben lässt sie sich nicht unterkriegen.“


Florentines erste Lockdown-Gedanken galten direkt den alten Menschen, die sie teilweise regelmäßig alle zwei Wochen besucht hatte. Irgendwie musste sie mit den Menschen weiterhin in Kontakt bleiben. Also malte sie Briefe und schilderte in Bildergeschichten, warum sie derzeit nicht zu Besuch kommen könne: Sie hatte bei der verfluchten Hausarbeit ihren Teppich verhext, und war auf diesem versehentlich davongeflogen in unbekannte Gefilde.



Und dann konnte Heike den Lockdown richtig genießen. Sie hatte nach jahrelangem Aufschub endlich mal Zeit, Ordnung in ihre Aufzeichnungen zu bringen. Sie überarbeitete ihre Programme und erstellte Coronakonforme Varianten. Das, was die Alten so liebten, Florentines direkte und körperliche Art, ihre spontanen Küsschen und Umarmungen sind seit der Lockerung nach dem ersten Lockdown allerdings verboten. Ihre Lösung: Florentine war beim Arzt. Der diagnostizierte eine militante Knoblauchfahne. Florentine erklärt: „Mir ist ausdrücklich verboten, zu Nahe an Menschen zu kommen. Ich soll eine Knoblauchfahne Abstand halten. Es soll ja keiner umkippen.“ Heikes Repertoire für Florentine umfasst nun frisch renovierte Clownprogramme für Kinder und ihre lieben Alten. Mit Knoblauchfahne.



„Das Schöne am Clown ist, er darf alles auf die Spitze treiben. Auch die Wahrheit.“ Ist es das, was dich dazu bewegt hat, von der Schauspielerei zur Clownerie zu wechseln? frage ich sie. „Als Schauspieler schreibt man seine Texte nicht selber, jemand anders inszeniert. Als Clown ist man Autor und Spieler in einer Person. Außerdem kann ich sehr viel improvisieren. Dabei entstehen immer schöne Momente, bei denen man sich gegenseitig ergänzt, Melodien genießt, eine schöne Zeit zusammen hat.“



„Und Clowns scheitern“, ergänzt Heike. Das sei der Ausgangspunkt für neues Handeln. Aber, frage ich in die Stille, was geschieht mit der Welt, wenn der Clown nicht mehr arbeiten darf?


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Heike Laub ist professionelle Schauspielerin und Clownin. Sie tritt unter anderem seit Jahren in Altenheimen, Kitas und Kindergärten auf. www.musikclownerie.de


Die Fotografin Lilli Breininger studierte Fotojournalismus in Hannover. Sie erzählt gerne Geschichten mit ihren Fotos, zurzeit die von KünstlerInnen "in Corona". www.lillibreininger.de

  • 21. Dez. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 23. Dez. 2020

Der derzeitige "Kulturstopp" schreit nach einer Neuauslegung des Kunstbegriffs. Was ist Kunst überhaupt? Wie können wir die Kunst und damit uns selbst jetzt auf eine neue Ebene heben, damit wir zukünftig weiter durch sie belebt, erweitert und beseelt werden? von Antonia Witt

Foto: pixabay.com


Die Zeiten sind ernst und fordern uns in innere Disziplin und Verantwortungsbewusstsein schwer heraus. Früher schien alles einfacher, lebenswerter - zu Zeiten noch „vor Corona“. Als das Wochenende mit einem Theaterbesuch, einer Kabarettvorstellung oder anderweitigem kulturellen Vergnügen bei einem anschließend warmen Glas gemeinsam mit Freunden eingeläutet wurde.


Es wurde gelacht, sich prächtig amüsiert und zugleich haben wir uns alle gut unterhalten. Doch haben wir uns auch in einen Dialog miteinander, mit der Umwelt und allen voran mit uns selbst begeben? Oder saßen wir einfach nur vergnügt herum, betrunken vom künstlich leuchtenden Flimmern einer uns doch im Grunde nichts sagenden Welt. Wo war die innere Stimme, die schreit: „Es ist genug!“? Sicher haben wir sie gehört, aber allzu leicht ignoriert, übertönt uns selbst, uns gegenseitig geblendet im Rausch der Zeit.


Darstellende und bildende Kunst, Literatur und Musik - wir alle haben uns in die nächtlichen Geschichten verliebt. Und bitter schlägt uns jetzt die Peitsche mitten ins Gesicht: Fällt die Kunst denn überhaupt noch ins Gewicht?


Was ist denn Kunst?


Um neue Töne anzuschlagen, müssen wir unser eigens Selbst tief befragen: Wie machen wir weiter? Auf welche Weise wolle wir als KünstlerInnen gemeinsam die Welt bereichern? Das einzige Potential, was wir haben, sind wir SELBST. Die unerschöpfliche Kraft, die durch jeden einzelnen von uns fließt. Es fehlt nur noch Wasser, damit die Saat richtig sprießt.


Wir brauchen DenkerInnen, geistige SeiltänzerInnen, die das Feuerbeil neu schwingen. Wir brauchen MacherInnen, die mit ihren kräftigen und klugen Händen, liebevoll gestalten unsere Wende. Lernen wir uns selbst kennen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Kunst eigentlich ist.


Es ist immer einfacher, zu schimpfen, zu klagen, zu jammern und zu schreien. Doch hinter all der Trauer und der Wut steckt ein Aufruf zu mehr Mut, uns selbst zu befreien und dabei eins zu sein. Botticelli, van Gogh, Goethe, Schiller, Rembrandt und Bach – ach! Verehrte Meister der vergangenen Kunst, wenn es doch nur etwas leichter wäre. Jetzt stehen wir alle vor der leeren Leinwand, unfähig mit uns selbst den nächsten Schritt zu tun.


Wie kann es gelingen?


Kunst ist zeitlos, schön und inspirierend. Kunst erhebt, erweitert, belebt und verbindet. Kunst besteht, entsteht und bringt hervor. Wir sind die GestalterInnen dieser neuen Kunstform. Etwas, nach dem wir uns schmerzlichste sehnen. Gedanken- und Gefühlsimpulse, mit denen wir unsere Seele weit dehnen.


Wir. Sind die GestalterInnen und in uns lebt die Kreativität.


Unterstützen wir uns, damit wir neue Wege finden, gemeinsam kreativ zu sein. Schlagen wir eine neue Seite auf, spüren unseren Herzschlag, die pulsierende Kraft des Lebens, unsere Willenskraft und legen wir los.


Wir sind KünstlerInnen.

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