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Aktualisiert: 16. Juni 2020

Eigentlich müsste es einen umhauen. Da muss doch was getan werden! Jemand sollte die Initiative ergreifen! So denken wir schnell, so empfinden wir gerne. von Thorsten Hartmann. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/19 auf S. 4 und 5

Fotos: pixabay


In unserer Region wurden schon viele anthroposophische Initiativen auf den Weg gebracht. Alle begannen mit dem Willen, etwas für oder gegen etwas zu tun. Die meisten wirken noch. Durchhalten war gefragt, auch wenn es von Bedenkenträgern nur so wimmelte, wenn es Hohn und Spott gab, vielleicht sogar selbst Geld draufgelegt werden musste. Die einen entwarfen, andere motivierten, die nächsten packten gleich zu. Keiner blieb ohne Veränderung seines Bewusstseins.


Denn Neues schaffen, ohne sich zu entwickeln, geht gar nicht. Einerseits: Pflege und Vertiefung des inneren Lebens, ohne das kein neuer Inhalt entsteht. Andererseits: Die Entfaltung der sozialen Technik, um äußerlich formen zu können.


Ein bemerkenswertes Beispiel aus dem nicht immer geschätzten Fußball: Anlässlich des Fußball Europacup-Endspiels zwischen Liverpool und Tottenham Hotspurs Anfang Juni 2019 gaben übereinstimmend beide Trainer zu Protokoll: „Unsere Arbeitsweise ist die, dass wir versuchen, die Spieler im Inneren zu berühren. Es geht um mehr als das Professionelle. Wenn du einen Menschen berührst, schaffst du die Basis, dass dieser sich als Spieler verbessert. Es gibt kein Limit, wie vertraut wir miteinander sein können. Wir müssen uns in die richtige Stimmung bringen, um genau das Spiel abzuliefern, das wir wollen.“ (SZ vom 1.6.2019). Wird da nicht jedes Spiel als Initiative verstanden?


„Da entstehen Verbindungen, neue Nahtstellen, Kreativität, eine ungeheure Kraft, auch wenn die Anzahl von Menschen nicht gerade groß ist.“

Wie geht Initiative? Was fordert die Zukunft? Etwas soll sich verändern, soll weg oder es soll das Notwenige entstehen. Es beginnt mit: Zuerst genau hinschauen. Dann: Anlass und Konfrontation werden überdeutlich. Nun wird versucht, Erfahrungen und Einsichten einzubringen. Kennenlernen. Da wird es oft turbulent und es rückt schon das erste große Abenteuer an.


Eine Inspirationsquelle öffnet sich, wenn sich die Beteiligten im Gespräch ein lebendiges Bild des künftigen Gebrauchs oder des Einsatzes machen. Dieses Bild zieht die Vorstellung davon gleichsam an, was zu tun ist. Alles soll ja vom Kopf in die Hand gehen. Hinab und herauf, mit Entdeckungs- und Entwicklungsgesprächen lebt man sich in Probleme, in Fragen ein. Die gemeinsame Anstrengung weckt die Initiative, die zum Inhalt passt, die Raum für inneres und äußeres Wachstum schafft. Schwere Arbeit gehört zur Sozialkunst.


Hindernisse sind: Auf alten Pfaden Neues erreichen wollen. Keine Inspirationen im Gespräch entwickeln, weil es doch aufs Funktionieren ankommt. Faules Hoffen auf Zufälle und Einfälle oder starre Wenn-Dann-Planungen.


Wie kann man sich heute in die Digitalisierung hineinleben? Erleben, untertauchen in das Positive, nicht nur immer in das Negative. Darüber nachdenken, welche Zerstörungsgrade durch die modernsten Ausprägungen der Technik entfesselt werden. JA! Wichtiger ist hingegen, die schöpferischen Kräfte durch offene Zusammenarbeit im Rahmen und im Raum der Technik selbst zur Wirksamkeit zu bringen. Kann die Digitalisierung so geformt werden, dass das Zwischenmenschliche siegt und ein neuer Geist einzieht? Welcher Geist?


In einem Interview griff die Neurobiologin Prof. Gertraud Teuchert- Noodt beim Thema Mediengebrauch zu drastischen Worten: Der Gebrauch von digitalen Medien bis zum zwölften Lebensjahr „wird eine ganze Generation in die Steinzeit zurückwerfen“. Kinder sollten bis zum zwölften Lebensjahr von digitalen Medien ferngehalten werden. Ähnliches gab es früher zwar schon mit der Aktion „Schafft das Fernsehen ab!“, aber heute ist das Thema existenzieller geworden. Denn es handelt sich nicht allein um Pädagogik, sondern um die körperliche Funktionsfähigkeit des Gehirns in der Zukunft. Ist das eine Initiative wert?

Am besten ist, die bestehenden Initiativen treten miteinander in Beziehung, tauschen sich aus über Arbeitsmittel, Abläufe, innere und äußere Beziehungen, Ziele und Leitbilder. Da entstehen Verbindungen, neue Nahtstellen, Kreativität, eine ungeheure Kraft, auch wenn die Anzahl von Menschen nicht gerade groß ist. Aber es lohnt sich. In den vielen Initiativen unserer Region wurde dieser Geist erlebt. Sie waren nicht nur selbst Keime für die Zukunft, sondern legten diese auch in die Schicksale vieler, vieler Menschen. Das ist es! Das hat gewirkt.


Es gibt allerdings einen mächtigen Feind, der wirkt, wenn sich eine Initiative im Abstrakten verliert, nicht selbst das erlebt, was sie nach außen erschaffen möchte, die mutlos wird, weil sie nicht weiß, dass auf jeder Komplexitätsstufe neue Inhalte und Eigenschaften auftreten, die auf der vorher- gehenden Stufe nicht vorherzusehen waren.


Rudolf Steiners Entwicklungsdenken hilft uns, nicht „bei jeder Kleinigkeit“ zu resignieren. Auch einmal vor Freude in die Luft springen, wenn sich ein kleiner, geistiger Fortschritt in der Praxis bestätigt. Lassen wir es lebendig sein!


Ich denke an eine Initiative, welche „Anthroposophie Start-Ups“ unterstützt, dadurch, dass sie zu Ideenvermögen und Technik anleitet, Zusammenhänge herstellt, Austausch besorgt und anfangs begleitet. Schon das Nachdenken darüber ist ein Keim, welcher unserem Raum guttut, in dem ja noch vieles unentdeckt auf seinen Zusammenklang wartet.

  • 2. Mai 2020
  • 1 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Juni 2020

Das Editorial zum Keime-Heft 1 im Jahr 2020 für Februar bis Mai. von Axel Stirn


Bild: Keime für die Zukunft


Das Jahr 2020 beginnt wie die vergangenen mit Energie- und Klimaproblematik, mit nationalen Egoismen, großen Militärübungen, steigenden Rüstungsausgaben, weiterem Bevölkerungswachstum in Ländern des Globalen Südens, der sich mit allen Mitteln verteidigenden Dominanz der toxischen Männlichkeit, der stetig steigenden Gefahr einer weltweiten Finanzkrise, einer wachsenden Digitalisierung von Konzernen und Militärs befeuert und steigendem Verzehr von Fleisch.


In den Seelen der Menschen kämpfen Burn-Out, Hektik, Stress, Konkurrenzdruck, Wachstumswahn, Habgier, Neid, Narzissmuss, Sinnlosigkeit und Egoismus gegen unsere Zukunft. Da könnte man resignieren. Oder auch eskalieren. Oder sich besonnen auf die Suche nach Lösungen machen, um nicht gegen alle Probleme zu kämpfen, sondern um Lösungen zu erschaffen. Ehrlicher Beobachtung wird zugänglich, dass es bereits unzählige kleine, feine, großartige Keime friedlichen Lebens und Arbeitens gibt. Vom Seelenturnen bis zur hierarchiefreien Kooperation, vom Carsharing über SoLaWis bis zur Traumaheilung.


Schalten wir also die zukunftsfeindlichen Newsticker aus, entsorgen wir unser apokalytisches Denken, beschließen wir, uns in den Dienst des Guten zu stellen, nehmen wir unsere Kraft zusammen und arbeiten wir daran. Überwinden wir die seelische Not der Gegenwart. Heilen wir die Wunden unserer Zivilisation. Gestalten wir kraftvoll eine liebevolle Welt. Steiner nennt die Grundlagen dafür Gedankenfreiheit, soziales Verständnis und Geist-Erkenntnis. Auf dieser Basis reifen Menschen in ihre liebevolle Kraft hinein.


Mögen die Keime Sie ermutigen.

  • 2. Mai 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Juni 2020

Auf der Suche nach Hoffnung fragen wir uns, wo wir suchen sollen. von Thorsten Harmann. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/20 auf S. 4

Bild: pixabay


Wir brauchen wieder eine Sternstunde. Oder sogar mehrere. Oder hatten wir sie schon, als Greta Thunberg, das Mädchen mit dem leicht abwesenden Blick im Jahr 2018 vor dem schwedischen Reichstag auf dem Boden saß? Oder begann eine ganze Stern-Zeit als der Bericht des Club of Rome 1972 erschien?

Stefan Zweig nannte die Sternstunden leuchtend und wandelbar in der Nacht der Vergänglichkeit, im Unsichtbaren. Greta und der Club of Rome sind allen bekannt. Geschehen heute die Sternstunden im Licht der Öffentlichkeit? Wir fragen uns: Wird das Ereignis Greta die Zeiten überdauern? Was sublimiert sich da? Wird es Entscheidungen herbeiführen für Jahrzehnte und Jahrhunderte? Machen wir uns einmal selbst zum Stern und schauen herunter auf die Menschenwelt des Lebewesens Erde. Wir erhalten wechselnde Perspektiven.

„How dare you“, sagte Greta vor der UNO mit Zorn im Gesicht. Es war nicht mehr das mysteriöse, naive Gesicht aus Schweden. Greta lässt die Menschen in dieser Hinsicht nicht gleichgültig. Schärfen wir unseren Blick. Anfangs wurde Greta mit Jeanne d‘Arc verglichen.

Jeanne d‘Arc wurde physisch verbrannt. Wird Greta heute medial verbrannt? Die großen Demos werden weniger und die Zeit der Realpolitik beginnt. Alle Welt ruft, Handeln ist angesagt. Aber wer will freiwillig unbekannte Wege gehen? Wer kann das? Wer verändert ab morgen sein Verhalten?

Global ist der Klimawandel bereits da und die Politik reagiert hier und da. Immer wieder erzwingt sie Veränderungen, die einen unfreiwilligen Wandel der Gesellschaft herbeiführen und neue Hindernisse für individuelle Lösungen schafft. Liegt darin eine Chance?

Die Wirtschaftsmächte wollten sich erst wehren, haben aber ihre Gewinnchancen schnell erkannt. Es ist eine genaue Wahrnehmung des gepriesenen CO2-Handels nötig. Werden mit dem CO2-Handel individuelle Lösungen unmöglich gemacht und die alten Machtstrukturen gefestigt?

Da wo die Außenwelt unserem Inneren nicht angemessen ist, taucht Zorn auf. Frisst der Zorn sich jedoch in die Seele hinein, wird er zu Wut, zum lähmenden Gift für das ICH. Hier im Lande wurde erfolgreich Wut gezeigt. Beispielsweise in Garzweiler. Kann der Zorn sich in konstruktiven Aktionen äußern, kann er zum Idealismus und zur Selbstlosigkeit führen.

Begreifen wir denn, was auf den verschiedenen Ebenen geschieht? Ist Massenbewegung neu? Es wäre neu, nicht zu fordern, der Staat oder die Wirtschaft solle alles richten. Immer mehr Menschen spüren das. Der Staat ist nicht der alleinig Schuldige. Die Wirtschaft nicht der einzige Akteur. Wir sind es selbst. Aus uns heraus kann sich etwas ändern.

Es scheint, als müssten wir uns unsere nächsten Sternstunden selbst erarbeiten. Zum Beispiel wach sein, wenn Lügen zur Wahrheit gemacht werden. Zum Beispiel bremsen, wenn ängstliche Bedenkenträger neue Wege blockieren. Zum Beispiel Verständnis und Frieden äußern, wenn Hass gestreut und darüber auch noch gespottet wird. Immer wieder sind wir gefordert, glühend und mutig für selbst erworbene Erkenntnisse einzutreten, sie nicht nur zu denken, sondern auf diese Weise Gutes zu tun. Das sind Sternstunden. Sie können täglich geschehen.

In gleichem Maße, wie jetzt tief in materielle und soziale Verhältnisse eingegriffen wird, erhöht sich unser Bewusstsein dafür, dass wir das Geistige in der Natur nicht nur erkennen, sondern es auch mit unseren Vorstellungen und Ideen verbinden. Auch diese Aufgabe beginnt täglich. Erleben die vielen anthroposophischen Initiativen in unserer Region Sternstunden? Im größeren Zusammenhang sind sie auf jeden Fall Vorbereiter. Sie machen durch ihr Tun Unvorhergesehenes möglich.

Holger Janson, Waldorflehrer in Bexbach, schreibt: „Entwickele ich Gedanken aus mir selbst oder denke ich nur nach? Bin ich eine konditionierte Patchwork-Individualität oder bin ich ein Original? Entwickele ich mich oder bin ich irgendwann stehen geblieben?“

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