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Aktualisiert: 2. Juni 2020

Ein Stimmungsbericht von der BERT 2019 - Elterntagung Bexbach von Michael Bernhardt. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/19 auf S. 12 und 13

Foto: pixabay


Samstagabend 30.03.2019, 19.30 Uhr in der Bexbacher Waldorfschule. Die Spannung steigt. Über 500 erwartungsvolle Eltern und Schüler aus ganz Deutschland blicken auf die Bühne. Ein mit langem Atem vorbereitetes Experiment startet und geht erfolgreich über die Bühne. Bis 22 Uhr folgen noch zehn weitere Beiträge.


Die erste gemeinsame besondere Schulfeier im Waldorf100-Jahr ist ein stimmungsvoller, bewegender Abend. Dem Bexbacher Elternteam rund um Benita Höfer und Andrea Schumann sei hier noch einmal fürs Durchhalten gedankt. Denn die Vorbereitungszeit war nicht leicht.


Als wir den anderen Schulen die Idee einer gemeinsamen Schulfeier vorschlugen, war viel Begeisterung zu spüren. Doch je näher die Sache kam, wurde es stiller und Beiträge sogar wieder abgesagt. Immer mehr Lehrer erkannten den großen Aufwand. Wir bangten um jede Nachbarschule, sogar um die ganze Veranstaltung.


Was für ein Aufwand es war, zeigte sich am Beispiel der Waldorfschule aus Altenkessel. Sie trat mit ihrem traditionsreichen und gutbesetzten Oberstufenorchester auf. Unter der Leitung von Hubert Paech kam das Orchester schon eine Woche zuvor für eine Probe nach Bexbach. Für die Probe und die Feier brauchte es jedesmal einen Extrabus.


Der Feier schenkte das Orchester dann die Moldau - von der Quelle bis zum Meer - von einer Idee zu einer Schule in Stuttgart bis zu einer ganzen weltweiten Schulbewegung. Es war mitreißend!


Die Bexbacher dritte Klasse tanzte und sang sich mit Patenschülern aus der siebten, Gitarrenspielern aus der achten und Schlagzeugern aus der elften mit dem spanischen Lied „Un poquito cantas“ in die Herzen der Elternscharen. Mit großer Begeisterung für die Vielfalt der Kulturen zogen sie mit selbstgemalten Flaggen zu einem Kreistanz ein. Damit symbolisierten sie auch die Vielfalt der Waldorfschulen in der ganzen Welt.


Eigentlich müsste jeder einzelne Beitrag so gewürdigt werden, doch das würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Ich jedenfalls ging sehr erfüllt nach Hause, wieder einmal sehr dankbar, in dieser Schulgemeinschaft zu leben und zu arbeiten.


Wochen später, auf einer Keime-Sitzungen, fragte ich mich, ob jener Abend auch so ein besagter Keim war? Ist die Zeit nicht reif dafür, dass wir uns aufmachen, uns einmal im Jahr gemeinsam in einer Schule der Region zu treffen? Wäre es nicht toll, wenn sich die Schulen einmal im Jahr gegenseitig wahrnehmen, sich begegnen und zusammen feiern?


Ich glaube schon. Die Eltern der BERT100 würden von dieser Idee sicher schwärmend berichten. Vielleicht ist das sogar eine Idee, die als Modell auch in anderen Regionen keimen kann. Das wäre doch was!


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Michael Bernhardt seit 22 Jahren Musiklehrer in Bexbach und immer auf der Suche nach frischen Keimen. Er freut sich über Elterninitiativen wie SoLaWis, GWÖ und SK (Systemisches Konsensieren) und feiert die Transformationszeit zu immer größeren solidarischen Netzwerken in der Region und weltweit.

  • 8. Mai 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Juni 2020

„Die Eurythmie ruft den Menschen dazu auf, mit seinem ganzen Wesen, mit Seele, Geist und dem Gefühl sich zu Bewegen.“ von Axel Stirn. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/20 auf S. 5

Foto: pixabay


1912 fragte Clara Smith bei einem Vortrag von Rudolf Steiner, ob es eine sinnvolle Bewegungsart auf anthroposophischer Grundlage für ihre Tochter gebe. Anschließend entwickelte Steiner mit der damals 17-jährigen Lory Meyer-Smith die Grundlagen der Eurythmie.


„Die Eurythmie ruft den Menschen dazu auf, mit seinem ganzen Wesen, mit Seele, Geist und dem Gefühl sich zu Bewegen.“ Um dem geistig-seelisch Erlebten Ausdruck zu verleihen, muß der eurythmische Künstler sich wandeln können und die Übergänge zwischen Geist, Seele und Körper empfinden lernen. „Erst wenn ich etwas in mir erlebe oder wirklich fühle, wird es für den Zuschauer sichtbar.“ So zielt Eurythmie auf Bühnenkunst ab.


Inzwischen gibt es viele Strömungen. Lauteurythmie versucht die Sprache sichtbar zu machen. Jeder Laut, jeder Umlaut und alle Diphtongen haben eine eigene Gebärde. Verben, Nomen und Konjunktionen werden jeweils anders gestaltet. Sind die Verben aktiv oder passiv?


Die Eurythmie will erreichen, dass der Künstler und der Zuschauer sehen, „was ich in mir fühle. Es gibt keine unüberlegten, komischen Bewegungen sondern jede einzelne Gebärde ist überdacht und bewusst. Hinter jeder Eurythmiegebärde steht eine gewisse Bedeutung.“ [1] »Wozu ist Eurythmie eigentlich gut?«, fragen Waldorfschüler im Eurythmieunterricht. »Wie kann man erklären, was Eurythmie ist?« Waldorfschüler müssen oft genug selbst Antworten geben und wollen wissen, wie sie erklären können, was Eurythmie ist. Jürgen Frank bat seine Oberstufenschüler, selbst in wenigen Sätzen Antworten zu formulieren. Die Schüler fanden nicht nur beeindruckende Formulierungen, sondern gaben dem Lehrer auch ein Spiegelbild seines Unterrichtes.

Innere Ruhe, Entspannung, Körperbeherrschung, Selbstbewusstsein: Eurythmie soll Geist und Körper verbinden; Gefühl zum Raum; sie ist gut für die Zusammenarbeit mit Anderen und um sich ausdrücken zu lernen. (7. Klasse)


Körpersprache, Rhythmusschulung: mit Eurythmie kann ich mich besser konzentrieren, sie verändert die Willensstärke. (9. Klasse)


Buchstabentanz: Gestaltung von Worten und Gedanken; man wird auf Dinge aufmerksam, auf die man vorher gar nicht geachtet hat. Man kommt irgendwie zur Ruhe, auch unbewusst. Eurythmie kann einen klaren Kopf machen; sie hilft, das Eigene besser zu finden. (11. Klasse)“ [2]


„Wenn ich meinen Tag mit Seelenturnen - wie Rudolf Steiner die Eurythmie auch nannte - beginne, wird meine Seele beweglicher, geschmeidiger und kräftiger. Alles was mir begegnet, wird mich tiefer berühren. Ich werde die Fülle des Lebens spüren, auch meines eigenen.“ [3]



Aktualisiert: 2. Juni 2020

Holger Janson, Waldorflehrer in Bexbach, macht sich Gedanken über den Tod junger Menschen mit 27 Jahren. von Holger Janson und Axel Stirn. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/20 auf S. 6 und 7

Foto: pixabay


Ich, Holger Janson, bin Klassenlehrer, und erlebe Kinder im zweiten Jahrsiebt. Sie lehren mich ebenso, wie ich sie. An ihnen erlebe ich das jeweils einzigartige Schicksal und die Entwicklung des Menschlichen im geschichtlichen Werdegang.


Erschütternd. Wie ein jähes Erwachen empfand ich die Tatsache, dass viele junge Menschen gerade mit 27 sterben. In mir höre ich den Satz „Mit 27 ist Schluss!“ Worauf will mich das aufmerksam machen? Ich bin Lehrer. Habe ich dem jungen Menschen beigebracht, sich fragen zu können: Entwickele ich Gedanken aus mir selbst oder denke ich nur nach? Bin ich eine konditionierte Patchwork-Individualität oder bin ich ein Original? Entwickele ich mich oder bin ich irgendwann stehen geblieben? Schluss mit 27? Wie kann das sein? Gibt es da einen Zusammenhang mit dem „Jüngerwerden der Menschheit“, das Rudolf Steiner nachdrücklich beschrieb?


„Die Menschheit wird immer jünger. Wenn wir in die indische Kultur zurückgehen, so war das so, dass damals die Menschen bis in die fünfziger Jahre hinauf entwicklungsfähig blieben. In der urpersischen Kultur blieben sie entwicklungsfähig bis in die vierziger Jahre, in der ägyptisch-chaldäischen Kultur bis in die zweite Hälfte der Dreißiger, in der griechischen- lateinischen Kultur bis ins fünfunddreißigste Jahr. Als die griechisch- lateinische Kultur zu Ende ging im 15. Jahrhundert, da waren die Menschen nur noch entwicklungsfähig bis zum achtundzwanzigsten Jahr, heute bis zum siebenundzwanzigsten Jahr“.


Bin ich selbst auch 27 geblieben? Was folgt daraus? Rudolf Steiner wies ausdrücklich darauf hin, was uns droht, wenn wir diese geistigen Tatsachen zurückweisen. Es droht uns eine epidemische dementia praecox*. Der Geist, den wir nicht beachten, begründet im Unbewussten Affekte, Leidenschaften (zum Beispiel Sexualismus). Begründet wird eine furchtbare Geistesöde.


Ich spüre in meiner Arbeit als Lehrer die Aufforderung, immer wieder Impulse aus dem Geistigen zu holen. Hier eine Anregung für Pädagogen von Rudolf Steiner aus der Zoologie: „[…], dass jede Tiergestalt einen bestimmten Sinn hat und die Zusammenhänge unter den Tieren einen bestimmten Sinn ergeben. Man kann in einer gewissen Weise diesen Sinn des ganzen Tierreiches lesen. Dadurch aber baut man eine Brücke zwischen sich und der geistigen Welt [….]“.


Das tiefe Bewegen solcher Gedanken beflügelt meine Phantasie, hilft mir, stimmige, geistvolle Lerninhalte nicht aus Willkür, sondern aus geistigen Realitäten zu holen.


*Dementia praecox ist ein veralteter Sammelbegriff aus der deutschen Psychiatrie. Er wird heute nur noch im historischen oder umgangssprachlichen Sinne verwendet und bezeichnete früher eine Gruppe von psychischen Erkrankungen („Geisteskrankheiten“) aus dem schizophrenen Formenkreis.


Club 27 (von Axel Stirn)

Der Club 27 besteht vor allem aus Rock- und Bluesmusikern, die alle im Alter von 27 Jahren starben. Es begann mit dem Tod von Brian Jones am 3. Juli 1969. Anfang der 1970er folgten Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison, letzter am 3. Juli 1971. Die vier starben sogar innerhalb von genau zwei Jahren. Doch in der breiten Öffentlichkeit wurde lange keine Verbindung zwischen dem gemeinsamen Todesalter gezogen. Erst mit dem Tode Kurt Cobains 1994 verbreitete sich die Bezeichnung Club 27.


Mit dem Tod der Sängerin Amy Winehouse 2011 erlangte der Club 27 erneute Aufmerksamkeit. Im Wikipediartikel, der den Club beschreibet, werden die genannten sechs Mitglieder als das Herzstück des Clubs gehandelt. Eine andere Liste enthält weitere 48 Namen von Rock- und Bluesmusikern, die mit 27 starben. Im weitesten Sinne umfasst der Klub auch bekannte andere Künstler. Dem Club wurden bereits Ausstellungen gewidmet. Merchandising-Produkte, Romane, Filme und Bühnenstücke griffen das Thema immer wieder auf.

Bild: pixabay


Rudolf Steiner, Hannover, 12.06.1917

„Seit dem Jahre 1413 leben wir in demjenigen Lebensalter, wo die Menschheit eigentlich nur entwicklungsfähig bleibt von sich aus – im Jahre 1413 bis zum 28. Lebensjahr – heute (1917) sind wir bis zum 27. Lebensjahr heruntergekommen.


[Heute schon fast bei 26, A.d.A.] Daraus sehen Sie, meine lieben Freunde, dass Geisteswissenschaft nicht aus einer willkürlichen Laune oder aus irgendeinem Agitationsprinzip heraus entsprungen ist, sondern: der Mensch kann sich einfach nicht weiterentwickeln in unserer Zeit durch sich selbst, als bis zu seinem 27. Lebensjahr.


Was weiter sich entwickeln soll, das muss die Seele durch eigene innere Impulse, die aus der geistigen Welt herauskommen, weitertreiben. Das Körperliche gibt es nicht mehr her. Und anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft hat die Aufgabe zu vollbringen, die Seelen hinauszuführen über die Entwickelung, die sie allein durch das Körperliche finden können. Da haben Sie ein Geheimnis unserer Zeit. Älter kann man heute nur werden durch geistige Entwickelung.

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