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Schluss mit 27: Warum sterben in diesem Alter?

Holger Janson, Waldorflehrer in Bexbach, macht sich Gedanken über den Tod junger Menschen mit 27 Jahren. von Holger Janson und Axel Stirn. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/20 auf S. 6 und 7

Foto: pixabay


Ich, Holger Janson, bin Klassenlehrer, und erlebe Kinder im zweiten Jahrsiebt. Sie lehren mich ebenso, wie ich sie. An ihnen erlebe ich das jeweils einzigartige Schicksal und die Entwicklung des Menschlichen im geschichtlichen Werdegang.


Erschütternd. Wie ein jähes Erwachen empfand ich die Tatsache, dass viele junge Menschen gerade mit 27 sterben. In mir höre ich den Satz „Mit 27 ist Schluss!“ Worauf will mich das aufmerksam machen? Ich bin Lehrer. Habe ich dem jungen Menschen beigebracht, sich fragen zu können: Entwickele ich Gedanken aus mir selbst oder denke ich nur nach? Bin ich eine konditionierte Patchwork-Individualität oder bin ich ein Original? Entwickele ich mich oder bin ich irgendwann stehen geblieben? Schluss mit 27? Wie kann das sein? Gibt es da einen Zusammenhang mit dem „Jüngerwerden der Menschheit“, das Rudolf Steiner nachdrücklich beschrieb?


„Die Menschheit wird immer jünger. Wenn wir in die indische Kultur zurückgehen, so war das so, dass damals die Menschen bis in die fünfziger Jahre hinauf entwicklungsfähig blieben. In der urpersischen Kultur blieben sie entwicklungsfähig bis in die vierziger Jahre, in der ägyptisch-chaldäischen Kultur bis in die zweite Hälfte der Dreißiger, in der griechischen- lateinischen Kultur bis ins fünfunddreißigste Jahr. Als die griechisch- lateinische Kultur zu Ende ging im 15. Jahrhundert, da waren die Menschen nur noch entwicklungsfähig bis zum achtundzwanzigsten Jahr, heute bis zum siebenundzwanzigsten Jahr“.


Bin ich selbst auch 27 geblieben? Was folgt daraus? Rudolf Steiner wies ausdrücklich darauf hin, was uns droht, wenn wir diese geistigen Tatsachen zurückweisen. Es droht uns eine epidemische dementia praecox*. Der Geist, den wir nicht beachten, begründet im Unbewussten Affekte, Leidenschaften (zum Beispiel Sexualismus). Begründet wird eine furchtbare Geistesöde.


Ich spüre in meiner Arbeit als Lehrer die Aufforderung, immer wieder Impulse aus dem Geistigen zu holen. Hier eine Anregung für Pädagogen von Rudolf Steiner aus der Zoologie: „[…], dass jede Tiergestalt einen bestimmten Sinn hat und die Zusammenhänge unter den Tieren einen bestimmten Sinn ergeben. Man kann in einer gewissen Weise diesen Sinn des ganzen Tierreiches lesen. Dadurch aber baut man eine Brücke zwischen sich und der geistigen Welt [….]“.


Das tiefe Bewegen solcher Gedanken beflügelt meine Phantasie, hilft mir, stimmige, geistvolle Lerninhalte nicht aus Willkür, sondern aus geistigen Realitäten zu holen.


*Dementia praecox ist ein veralteter Sammelbegriff aus der deutschen Psychiatrie. Er wird heute nur noch im historischen oder umgangssprachlichen Sinne verwendet und bezeichnete früher eine Gruppe von psychischen Erkrankungen („Geisteskrankheiten“) aus dem schizophrenen Formenkreis.


Club 27 (von Axel Stirn)

Der Club 27 besteht vor allem aus Rock- und Bluesmusikern, die alle im Alter von 27 Jahren starben. Es begann mit dem Tod von Brian Jones am 3. Juli 1969. Anfang der 1970er folgten Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison, letzter am 3. Juli 1971. Die vier starben sogar innerhalb von genau zwei Jahren. Doch in der breiten Öffentlichkeit wurde lange keine Verbindung zwischen dem gemeinsamen Todesalter gezogen. Erst mit dem Tode Kurt Cobains 1994 verbreitete sich die Bezeichnung Club 27.


Mit dem Tod der Sängerin Amy Winehouse 2011 erlangte der Club 27 erneute Aufmerksamkeit. Im Wikipediartikel, der den Club beschreibet, werden die genannten sechs Mitglieder als das Herzstück des Clubs gehandelt. Eine andere Liste enthält weitere 48 Namen von Rock- und Bluesmusikern, die mit 27 starben. Im weitesten Sinne umfasst der Klub auch bekannte andere Künstler. Dem Club wurden bereits Ausstellungen gewidmet. Merchandising-Produkte, Romane, Filme und Bühnenstücke griffen das Thema immer wieder auf.

Bild: pixabay


Rudolf Steiner, Hannover, 12.06.1917

„Seit dem Jahre 1413 leben wir in demjenigen Lebensalter, wo die Menschheit eigentlich nur entwicklungsfähig bleibt von sich aus – im Jahre 1413 bis zum 28. Lebensjahr – heute (1917) sind wir bis zum 27. Lebensjahr heruntergekommen.


[Heute schon fast bei 26, A.d.A.] Daraus sehen Sie, meine lieben Freunde, dass Geisteswissenschaft nicht aus einer willkürlichen Laune oder aus irgendeinem Agitationsprinzip heraus entsprungen ist, sondern: der Mensch kann sich einfach nicht weiterentwickeln in unserer Zeit durch sich selbst, als bis zu seinem 27. Lebensjahr.


Was weiter sich entwickeln soll, das muss die Seele durch eigene innere Impulse, die aus der geistigen Welt herauskommen, weitertreiben. Das Körperliche gibt es nicht mehr her. Und anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft hat die Aufgabe zu vollbringen, die Seelen hinauszuführen über die Entwickelung, die sie allein durch das Körperliche finden können. Da haben Sie ein Geheimnis unserer Zeit. Älter kann man heute nur werden durch geistige Entwickelung.

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