von Thorsten Hartmann
„Vorhangguckerin“ Bronzeplastik von Manfred Welzel, 1998, 52 cm x 42 cm
Ängste lähmen und machen krank. Seit dem Jahreswechsel von 2019 auf 2020 wachsen sie schnell. Sie wirken wie erzwungen. Erst weitab. In China. Dann näher kommend. Todesfurcht. Bilder, die uns schocken. Die Ängste wirken einschränkend, trennend, kontrollierend und manipulierend.
Wie in Tschernobyl 1986 sterben wieder HelferInnen, wissend wofür. Was geschieht da? Füllt sich das globale Spinnennetz an Informationen mit einer Welt digitalisierter Gefühle?
Jeder Einzelne steht unversehens vor materiellen Denkweisen, wie vor einem schweren Vorhang, den er heben muss, um Sicht auf Zusammenhänge, auf eigene Perspektiven und Urteile zu gewinnen. Damit kann Angst bezwungen werden.
Das Bild der „Vorhangguckerin“ von Manfred Welzel charakterisiert eine solche Situation: Eine junge, staunende, neugierige Gestalt schiebt den schweren, lastenden Vorhang nicht beiläufig zur Seite, sondern stemmt ihn in die Höhe. Sie kniet auf einer Schwelle, blickt offen in das bisher Verborgene, das nun vor ihr liegt. In ihrer Körperhaltung spiegelt sich ihr Bewusstsein.
Sie merkt, dass sie selbst „da draußen“ ist, fühlt sich verbunden, beobachtet genau, ahnt schon ihr Potenzial, mit dem sie tätig sein wird. „Kann ich zum Führer über mich selbst werden?“ fragt sie sich - und ist sich damit selbst voraus.
Sie wird sich eingliedern wollen in konkrete Zusammenarbeit, Zusammenhänge selbstständig denken, den Dingen ins Auge schauen und gemeinsam handeln. Selbst will sie sein, wenn sie spricht, Phrasen und Schlagworte vermeidend, gerade auch dann, wenn andere Menschen das Gleiche wie sie wollen. Ein ICH will sie sein!
Nicht nur stille Übungswege will sie gehen, sondern die Kooperation in Gedanken und jeglicher Zusammenarbeit erleben. Für so ein Vorgehen war in „Corona“ bisher keine Zeit. Aber die Reise ins Ungewisse kann jetzt zu Ende gehen.
Die neugierige Gestalt spürt, dass eine geistige Welt wirklich vorhanden ist. Auf den Übergang zu ihr kommt es jetzt an. Mit Ringen um Vielseitigkeit, mit dem Austausch von Weltansichten. Es könnte ebenso ansteckend sein, sich gegenseitig Gedankenwelten zu zeigen und damit die Furcht vor Andersdenkenden zu verlieren. Auch Zuversicht kann ansteckend sein.
In den „Keimen für die Zukunft“ möchten wir Ihnen Gelegenheit bieten, über das Thema selbst Beiträge zu schreiben. Die digitale Form der „Keime“ erlaubt, dass Ihr Beitrag direkt für alle sichtbar ist. Wenn Sie wollen, so können Sie sich direkt austauschen. Auf diese Weise kann eine vielseitige Unterhaltung entstehen, an der mehrere Personen teilnehmen. Für jedes andere Thema ist das auch möglich. Als Anregung und zum Start für eine solche Art der Konversation bieten wir Ihnen hiermit einige Fragestellungen zum aktuellen Thema an:
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Welche Aussagekraft haben Statistiken und Hochrechnungen?
Wird es eine 20/80 (in Arbeit/arbeitslos) Gesellschaft in den westlichen Ländern geben? Brzezinski sagte einmal, es sei anzunehmen, dass die Anzahl von Menschen, die genügen, um alles zu produzieren, was wir benötigen, diese Relation annimmt. Trägt „Corona“ zu einer solchen Vorhersage bei?
Was bedeutet es, wenn Lernen in der Schule weiter digitalisiert wird? In welche Welt gleiten wir damit?
Kann man sich an der Gesetzgebung so beteiligen, dass beispielsweise die vorübergehende Einschränkung von Rechten vorher kommuniziert wird?
Man weiß, dass Furcht und Einsamkeit krank machen, wenn z.B. „Corona“ kein Ende nimmt. Wird das bei Maßnahmen bedacht?
Die Geschichtsforschung beschreibt, wie vor dem ersten Weltkrieg eine Art Schlafzustand bei den Entscheidern bestanden hat. Gibt es heute wieder so etwas?
Gibt es eine Brücke zwischen Geist und Körper, zwischen dem Körper des Virus und seinem Ursprung? Wie findet Geistiges und Seelisches ins Physische und ist es dort erkennbar?
Viren haben auch gute Seiten, sagen Wissenschaftler. Das Erbgut sei auch auf Viren gebaut. Ist das eine nachvollziehbare Vorstellung?
Ist die Abwägung zwischen dem Wert von Leben und einer funktionierenden Wirtschaft in Ordnung? Darf ein Virus zum Antreiber für eine solche Überlegung werden?
So wie immer, wenn kein Geld mehr hereinkommt, Mängel als scharfe Riffe auftauchen, so auch jetzt bei „Corona“. Werden sie von alleine wieder verschwinden?
Nach „Corona“ wird einiges anders sein. Äußerlich, innerlich. Was wird in den Vordergrund treten? Bleibt der „Abstand“ bestehen? Weicht die Schönheit des Zwischenmenschlichen einer andauernden Sterilität?
Welche elementaren Kräfte sind an der Entstehung des Virus beteiligt? Für seine Existenz braucht es ein allgemeines Milieu, aber auch eine individuelle Disposition. Also: Wes Geistes Kind bist Du, Covid-19?
Wie lässt sich Salutogenese in öffentliche Gesundheitsmaßnahmen einbeziehen?
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Das sind beileibe nicht alle Fragen. „Corona“ lässt noch viel mehr ans Licht treten. Darüber zu kommunizieren, kann zu Initiativen führen, Privates und Gesellschaftliches zu gestalten. Zum Schluss sei noch Herrmann Hesse zitiert, um darauf hinzuweisen, dass sich das öffentliche Interesse beim Covid-19-Problem fast nur auf Zahlen richtet:
„Jeder Mensch ist etwas Persönliches und Einmaliges, und an Stelle des persönlichen Gewissens ein kollektives setzen zu wollen, das heißt schon Vergewaltigung und ist der erste Schritt zu allem Totalitären.“
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