Was hat es mit der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft auf sich? Was unterscheidet psychologische Arbeit von esoterischer? Ein Gespräch zwischen Monika Schmidt-Kiesinger, Vemittlerin der regionalen Hochschulgruppe, und Axel Stirn vom 1. Dezember 2019 in den Räumen der Christengemeinschaft Saarbrücken. Der Artikel erschien im Keime-Heft 1/20, S. 14 und 15
Foto: Anthroposophische Gesellschaft
Monika Schmidt-Kiesinger (MSK), Vemittlerin der regionalen Hochschulgruppe in Saarbrücken und Axel Stirn (AS) von Keime für die Zukunft im Gespräch:
MSK: Seit etwa drei Jahrzehnten bin ich Mitglied der Hochschule. Vor etwa drei Jahren bin ich in die Aufgabe als Vermittlerin für unsere Region hinein gekommen. Dieser Aufgabe versuche ich verantwortungsvoll gerecht zu werden. Zum Anfang möchte ich ein einziges Zitat aus den anthroposophischen Leitsätzen vorlesen, weil ich es so genial finde:
„Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte. Dies tritt im Menschen als Herzens- und Gefühlsbedürfnis auf. Sie muss ihre Rechtfertigung dadurch finden, dass sie diesem Bedürfnis Befriedigung gewähren kann. Anerkennen kann Anthroposophie nur derjenige, der in ihr findet, was er aus dem Gemüte heraus suchen muss. Anthroposophen können nur Menschen sein, die gewisse Fragen über das Wesen des Menschen und die Welt so als Lebensnotwendigkeit empfinden, wie man Hunger und Durst empfindet.“
Wenn ich zurück blicke, ist es genau das gewesen. Es hat immer im Hintergrund mitge-schwungen. Meine Tochter wurde in Saarbrücken eingeschult. Im ersten Schuljahr merkte ich, dass sie sich nicht wohl fühlte. Das war nicht gut. Da passierte etwas mit mir. Ich erfuhr von der Saarbrücker Waldorfschulgründung und wir sprachen mit der Gründerin Frau Lippke. Ich war damals noch nicht in der Anthroposophischen Gesellschaft. Aber als mein Kind in der Schule war, wollte ich mehr wissen.
AS: Zu der Zeit fingen Sie an, sich mit anthroposophischen Inhalten zu beschäftigen. Sie fragten zum Beispiel: Wer war Steiner?
MSK: So ungefähr. Durch Begegnungen fand immer wieder eine Vertiefung statt. Es reifte mein Entschluss, der zur heutigen Situation führte.
AS: Erinnern Sie sich daran, wann zum ersten Male die Frage nach dem esoterischen Hintergrund kam?
MSK: Es kam zu immer mehr Begegnungen mit vielfältigen Menschen, mit ihren Initiativen, mit Praktischem, Kursen, Feiern, Vorträgen. Um mehr zu lernen, habe ich angefangen, die „Philosophie der Freiheit“ zu lesen. Auf einem Elternabend bei Herrn Dr. Bohnstedt, dem Klassenlehrer meiner Tochter, lasen wir einen Steinertext über Ernährung. Es war die Art des Umgangs mit Ideen, die aus diesem Text heraus leuchteten. Er brachte mich der Sache näher, aber immer mit der Option, jederzeit aussteigen zu können. Doch ich fühlte: „Da ist etwas, wonach du innerlich suchst. Bleib da dran!“
AS: Ich hatte auch Erlebnisse mit eindrücklichen Menschen und ich fragte mich, wo hat der oder die diese Gedanken und Begriffe her, was sieht dieser Mensch? Wie kommt es zum Beispiel, dass der in einer stressigen Kindersituation so gelassen ist? Wo hat er diese Fähigkeit her? Welche Ausbildung hat er? Wie war das bei Ihnen?
MSK: Einer der Menschen war Dr. Bohnstedt. Er war jemand, der ganz ernsthaft und voller Verantwortung auch auf der Suche war. Man könnte auch sagen, er war ein Zweifler. Aber er ließ nicht los und suchte authentisch zu ergreifen, was er als richtig fühlte. Und er war ja auch ein sehr naturverbundener Mensch. Eine weitere war Frau Fuchs, die Klassenlehrerin unserer zweiten Tochter. Durch sie entstand die Verbindung mit Wolf-Ulrich Klüncker, damals noch am Friedrich-von-Hardenberg-Institut in Heidelberg. Hier kam der Aspekt hinzu: Was bedeutet Wissenschaft im Zusammenhang mit Geisteswissenschaft? Dadurch weitete sich der Blick von der Waldorfpädagogik auf die Frage: Wie steht der Mensch als Einzelner heute im Weltzusammenhang?
AS: Wann wollten sie der Hochschule beitreten, einen Rahmen suchen, wo die Erkenntnisarbeit kultiviert wird? Wie fanden Sie zu dieser Entscheidung?
MSK: Das Wichtigste war, ein Verhältnis zu mir und zur heutigen Welt auszubilden.
In der Zeit, in der viele Menschen von Angst und Zweifeln geplagt werden, konnte mir Anthroposophie Kraft und Zuversicht geben. Aber es war kein „Stein der Weisen“.
Ich musste es mir immer von neuem erarbeiten.
AS: Was ist denn der Unterschied der esoterischen Arbeit zur Psychologie?
MSK: Es gibt Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Ein wesentlicher Unterschied scheint mir zu sein, dass die anthroposophische Esoterik ein Weg ist, der nie ohne das Ich gemacht werden kann. Die Verwandlung des Selbst steht im Mittelpunkt. Ohne dass das Ich tätig wird, entwickelt sich nichts.
AS: Wie macht man das dann? Wie geht dann so eine Entwicklung? Wenn ich sage, ich mache jetzt bei in der Hochschule mit. Was muss ich dann tun?
MSK: Zunächst müssten Sie sich entscheiden, das zu wollen. Dann begeben Sie sich auf einen Schulungsweg, auf dem sie intensiv Erkenntnis suchen, Objektivität, und eine Begrifflichkeit, die sie sich individuell erwerben müssen, außerhalb oder innerhalb der Schule. Sie müssen auch Ihr Seelisches umgestalten, so dass Sie Gewordenes überwinden, ändern können. Der alte Begriff „Läuterung“ besagt, dass Sie ihr Denken, Fühlen und Wollen verobjektivieren. Die Ebene von Sympathie und Antipathie müssen Sie übersteigen. Es ist Stärkung des Seelenlebens und Loskommen vom Alltäglichen, dazu geduldig offen werden für etwas, was vom Geiste zukommt. Die geistige Welt ist in der Anthroposophie wirklich und wesenhaft und wir sind mit geistigen Wesen immer verbunden. Von ihnen stammt das wahre Ich des Menschen. Der Schulungsweg soll diese Verbindung verdeutlichen und verstärken.
AS: Das habe ich verstanden. Ich muss zuerst den eigenen Hunger, also die Frage als berechtigt erkennen. Aber warum sollte ich das tun? Warum sollte ich den Hunger stillen? Es gibt heute viele Arten von Hunger, die man besser nicht stillen sollte.
MSK: Zuerst eine Gegenfrage: Wie kamen Sie eigentlich zu diesen Kontakten, zur Anthroposophischen Gesellschaft, zur Christengemeinschaft?
AS: Mein Weg fing mit der Doku Zeit für Veränderung des amerikanischen Journalisten David Pichbeck an, die ich 2012 im Internet sah. Es ging um die Frage: „Was ist an unserer heutigen Weltentwicklung falsch. Er lässt dann zahlreiche „Weisheitsmenschen“ zu Wort kommen. Die sprachen vom Bewusstseinswandel. Dem bin ich nachgegangen und fand, dass es unzählige Quellen gibt, die von Bewusstseinswandel sprechen.
Ich war bei Freimaurern, Rosenkreuzern, Anthroposophen. Ich kannte damals die Unterschiede nicht. Weil ich neugierig war, habe ich alle besucht. Überall traf ich alte Männer, die abstrakt von Geheimnisvollem an verborgenen Orten besprachen. Das wollte ich ändern. Ich begann zu lesen: Bücher, Internet, besonders Anthrowiki, jahrelang. Doch um so mehr ich herausfand, desto weniger wurden die Menschen, mit denen ich darüber sprechen konnte. Dann sah ich einen Ausschrieb: „Braucht innere Entwicklung Gemeinschaft“?
Ich fand eine Gruppe junger Menschen, die zusammen „Die Philosophie der Freiheit“ lasen. Hier sprach ich zum ersten Mal über die Dinge, die ich in den Jahren gelesen, gedacht und gefunden hatte. Ich kam der Sache näher, wurde mir gleichzeitig auch klar, wenn ich das zu extrem mache, dann lande ich im härtesten Klüngel, den man sich vorstellen kann.
Ich dachte, ich bin froh, dass ich auf diesem Weg dazu gekommen bin und nicht über ein anthroposophisches Elternhaus, eine Waldorfschule oder einen Arbeitsplatz. Wenn man sich jahrelang ausschließlich mit sich und den gleichen Gedanken befasst, besteht die Gefahr der „Versteinerung“, die sich auch seltsam anfühlt. Ich wollte es anders machen.
Die Fortsetzung des Gesprächs in Bleib da dran! - Teil 2.